12.0000 Euro sollten eigentlich am Monatsende fließen. Der Versender überweist einem VSL-Mitgliedsunternehmen für zehn abgewickelte Transporte aber nur 8.000 Euro. Ein Drittel zieht er wegen eines Güterschadens ab. Bei einem der zehn Transporte ist unter der Obhut eines Unterfrachtführers etwas zu Bruch gegangen. Doch darf der Kunde gleich Tatsachen schaffen und seinen Schaden einfach selbst regulieren, indem er Fracht zurückhält? Immer wieder ist AVSL-Geschäftsführer Stefan Brötz, Fachanwalt für Transportrecht, mit dem Thema Aufrechnung konfrontiert. „Dass ein Versender Fracht zurückhält, ist sehr ärgerlich, aber leider gängige Praxis“, bestätigt er. Eine Aufrechnung ist laut ADSp 2017, Ziffer 19, aber nur dann zulässig, „wenn der Gegenanspruch fällig, unbestritten, entscheidungsreif oder rechtskräftig festgestellt ist“. Da unser Mitgliedsunternehmen hier sein Veto einlegt, hat der Versender eigentlich keine Handhabe. Er behält die 4.000 Euro trotzdem ein.
Was tun? Die Vorgehensweise des Versenders akzeptieren, weil er eigentlich „ein treuer Kunde“ ist? Wer zu seinem Recht kommen möchte, sollte sich in jedem Fall sputen: „Denn die Frachtansprüche verjähren innerhalb von einem Jahr“, erläutert Fachanwalt Brötz unter Verweis auf § 439, Abs. 1 HGB. Dabei spielt es keine Rolle, ob es nun um die reine Fracht, Standgeld oder Palettenschulden geht. Die Frist ist immer dieselbe. Betroffene Speditionen sollten ihren Versendern melden, dass sie der Aufrechnung widersprechen und eine feste Zahlungsfrist setzen. Wer zum Beispiel ein Inkassounternehmen einschaltet und mahnen lässt, muss wissen, dass auch eine Mahnung die Frist nicht verlängert. Beauftragt die Spedition einen Anwalt, versucht dieser mit der Gegenseite häufig einen Verjährungsverzicht zu vereinbaren. Das reduziert den zeitlichen Druck. Lässt der Versender sich nicht darauf ein, ist die Klage eine weitere Option. „Mit Eingang der Klage wird die Verjährung gehemmt und die Rechte bleiben gewahrt“ erläutert Stefan Brötz. Bis zu einem Streitwert von 5.000 Euro ist das jeweilige Amtsgericht zuständig, bei Werten darüber das Landgericht. Fachanwalt Brötz rät Speditionen, darauf hinzuwirken, dass im Fall des Landgerichts nicht die Zivilkammer, sondern die Kammer für Handelssachen übernimmt. Sie ist mit derartigen Themen vertrauter.
Der Fall ist damit aber noch nicht abgeschlossen. Speditionen stehen in einem ganzen Geflecht an Beziehungen. Sie müssen ihre Ansprüche zugleich bei ihrem Unterfrachtführer geltend machen, bei dem der Güterschaden eingetreten ist. Gegebenenfalls lehnt dieser die Erstattung ab, weil die Ware nicht oder schlecht gesichert war. So verpflichtet §412, Abs. 1 HGB den Absender, das Gut beförderungssicher zu verladen, zu stauen und zu sichern. Das macht die Sache nicht leichter. Parallel muss die Spedition den Schaden auch bei ihrer Verkehrshaftungsversicherung melden. Das sollte am besten unverzüglich geschehen, um nicht eine Obliegenheit nach dem Versicherungsvertrag zu verletzen – mit der möglichen Folge eines Versicherungsausschlusses. Und was Versicherung und Haftung angeht, ist – sofern es ein deutscher Transport war - schließlich zu prüfen, welche Haftungshöhe zwischen Versender und Unterfrachtführer gilt. Kraft Gesetz sind dies nach CMR, Artikel 23, Abs. 3, und § 431 HGB, Abs. 1, 8,33 Sonderziehungsrechte (SZR) je Kilogramm. Bei nationalen Transporten kann im Rahmen eines Haftungskorridors zwischen 2 und 40 SZR laut §449 HGB, Abs. 2.1, aber davon abgewichen werden. Die Gefahr: Die Spedition hat „nach oben“ im Verhältnis zum Versender 40 SZR je Kilogramm zugestimmt, „nach unten“ zum beauftragten Frachtführer aber nur die sonst üblichen 8,33 SZR vereinbart. Hier klafft also eine beträchtliche Lücke. Das zeigt: Einer Aufrechnung zu widersprechen und gleichzeitig den entstandenen Schaden zu regulieren, ist eine komplexe Angelegenheit. Doch es lohnt sich, sich der Sache zu stellen. Schließlich kann es um viel Geld gehen.
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